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William Harsey Jr. ist kein junger Hüpfer mehr. Um genau zu sein wird der 1955 in Oregon geborene Hühne dieses Jahr 66 Jahre alt. Obwohl Harsey mittlerweile nicht mehr täglich in seiner Werkstatt steht, ist seine Aktivität als Designer für unterschiedliche Messermarken ungebrochen. Ob nun als enger Mitarbeiter von Spartan Blades, Designer für Fantoni oder als alter Freund der Reeve-Familie – Bill Harsey ist in der Messerszene nach wie vor absolut präsent. Darüber hinaus bekommen jeder Absolvent des US Army Special Forces Qualification Course das legendäre, von Harsey entworfene Yarborough-Messer überreicht, welches von Chris Reeve in gerninger Abwandlung unter dem Namen „Green Baret“ verkauft wird.

Der Designer

Warum ich hier über Bill Harsey referiere obwohl es ja eigentlich – laut Überschrift – um das Chris Reeve Impinda gehen soll? Ganz einfach: dieses moderne Slipjoint Taschenmesser ist das mit Sicherheit polarisierendste Messer, welches der Kult-Hersteller aus Idaho in seinem Portfolio hat. Über kein anderes Taschenmesser von CRK wird so leidenschaftlich bis hitzig diskutiert. Um das Design – welches von Bill Harsey (in Zusammenarbeit mit Tim Reeve) stammt – ein wenig besser einordnen zu können, habe ich mich zunächst etwas mit der Herangehensweise und der Herkunft von Harsey beschäftigt.

Bill Harsey wurde 1955 in eine typische Arbeiterfamilie der 50er Jahre geboren. Bereits mit 8 Jahren begann er im Holzfäller-Betrieb des Vaters mit zu helfen und lernte schon sehr früh, was richtig harte Arbeit bedeutet. Selbst in den bitterkältesten Wintermonaten rückten er, seine Brüder und sein Vater täglich aus, um sich durch meterhohen Schnee zu kämpfen und Bäume zu fällen. Sein erster Kontakt zu Schneidwerkzeugen waren daher logischerweise robuste Arbeitsmesser und Sägeblätter.  Harseys spätere Karriere war dann vor allem von taktischen Kampf- und Klappmessern durchzogen, was hauptsächlich an seinem frühen Kontakt zu Al Mar und Rex Applegate lag. Für Bill sollen Messer bis heute vor allem ein Kriterium erfüllen: sie müssen funktionieren. Und das so intuitiv und verlässlich wie nur irgendwie möglich. 

Das Design 

Unter diesem Gesichtspunkt erscheint das Design des Chris Reeve Impinda vollkommen schlüssig. Hier bekommt man ein äußerst robustes Slipjoint-Messer, das zwar einerseits sehr belastbar wirkt aber andererseits so konstruiert wurde, dass es alle Kriterien eines EDC-Taschenmessers erfüllt. Vom ersten Foto an, war ich vollauf begeistert vom optischen Erscheinungsbild des Messers. Da mich bisher fast alle Harsey-Designs abgeholt haben, war das zunächst einmal nicht verwunderlich.

Hier findet man die markante Design-Handschrift in einem überraschend kompakten Gesamtpaket. Dennoch liegt mir das Impinda (wie übrigens nahezu jedes Harsey-Design, welches ich bis jetzt in der Hand hatte) wunderbar in der Hand (Handschuhgröße 9.5). Hier ist auch längeres Arbeiten überhaupt kein Problem.  Optisch passen der geschwungene Griff und die sehr spitz zulaufende Klinge mit der dezenten Swedge sehr gut in das Harsey-Portfolio. Auch die erste, große Fingermulde, sowie die überdimensionierte Achsschraube, sind absolut typische Merkmale für Bill.

Der Aufbau des Impindas ist denkbar einfach: zwei Griffschalen aus Titan, eine Rückenfeder und eine hohlgeschliffene Klinge aus CPM S35VN Stahl, dazu noch zwei Washer und eine Hand voll Schrauben – fertig ist das moderne Slipjoint-Taschenmesser. Das alles natürlich in der vom Hersteller aus Idaho gewohnten, höchstpräzisen Verarbeitung, die man im US-Serienbereich kaum ein zweites Mal findet. Hier bekommt man das Gesamtpaket, das man sich von Chris Reeve erhofft und bei solch einem Preis auch erwarten kann. Ein interessantes Feature ist, dass die beiden großen Bronze Washer in einer genau passend gefrästen Tasche im Titan sitzen. Das hat den Vorteil, dass es – ganz im Sinne klassischer Taschenmesser – keinen großen Spalt zwischen Griffschalen und Klingenrücken gibt, die Klinge aber trotzdem weich auf den Unterlegscheiben läuft. Ein weiterer interessanter Punkt, ist die Harsey-Spring: hier wurde die Auflagefläche der Rückenfeder so gefräst, dass sich beim Öffnen der Messers ein recht geringer, beim Schließen jedoch ein recht hoher Widerstand ergibt. Das bietet zusätzliche Sicherheit bei einer angenehmen Bedienung des Impindas. Zu beachten ist, dass es beim Klingengang keinen wirklichen 90-Grad-Stop gibt. Während die Klinge beim Öffnen auf der ersten Hälfte sehr weich läuft und sich wirklich einfach bewegen lässt, verspürt man ab ca. 90 Grad den Effekt der Harsey-Spring: hier wird die Widerstand erheblich größer und die Klinge rastet mit einem satten „KLACK“ in der geöffneten Position ein. Als kleine Randnotiz sei noch erwähnt, dass das Design des Impindas tatsächlich auf ein älteres Harsey-Pattern zurückgeht und der erste Prototyp ein Taschenmesser war, das Bill für seinen Sohn gebaut hat, als dieser seinen Job beim Space-X-Projekt begann. 

Das Ergebnis

Knapp 479,- Euro sind natürlich kein Geschenk und hier liegt auch einer der großen Kritikpunkte, welche man immer mal wieder in unterschiedlichen Foren zu lesen bekommt. Ein Slipjoint für 479,- ist für manch einen Messerfreund unverständlich viel. Natürlich muss jeder am Ende selber entscheiden, was ihm ein Messer wert ist. Ich gebe jedoch zu bedenken, dass ein Slipjoint-Messer grundsätzlich nicht unbedingt einfacher zu fertigen ist, als ein verriegelndes Messer – es sind einfach nur andere Faktoren zu beachten. Im Lieferumfang des Impindas sind neben dem üblichen Microfasertuchs und dem Werkzeug noch ein edles Lederetui enthalten. Es bleibt die Frage, um was für eine Art Messer es sich beim Impinda handelt. Für mich ist ganz klar: wer ein edles Gentlemen-Taschenmesser sucht, ist hier falsch. Vielmehr haben wir es hier mit einem richtig robusten Arbeitsmesser zutun, das durchaus in der Lage ist, Schneidaufgaben zu übernehmen, die man sonst eher einem verriegelnden Taschenmesser zuordnen würde. Ich hätte in der Benutzung keinerlei Bedenken, das Messer für nahezu alle alltägliche Schneidarbeiten zu benutzen. Der hohe Widerstand der Rückenfeder sorgt für ein sicheres Gefühl bei der Benutzung, wenngleich einem natürlich eine gewisse Vorsicht nicht abhanden kommen sollte. Das Chris Reeve Impinda hat mich persönlich wie kaum ein anderes modernes Slipjoint überzeugt und ich freue mich auf eine lange Zeit der Benutzung. 

Klingenform:Droppoint
Verschluss:Slipjoint
 Designer:Bill Harsey, Tim Reeve
Klingenlänge:8 cm
Gesamtlänge:18 cm
Gewicht:96 g
Klingenstärke:3 mm
Zubehör:Mini Inbus, Clip Insert, Reeve Grease, Stecketui aus Leder
42a-konform:Ja