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Seit Jahren ärgere ich mich über die
 zum Teil rustikale Qualität verschiedener Messerhersteller aus
 Solingen – allen voran Marken wie Otter oder Robert Klaas. Das
 Schlimme daran ist, dass die Messer dieser Solinger Legenden fast
 immer überragend schön aus der breiten Maße herausstechen, sich
 aber in Punkto Verarbeitungsqualität nicht mit Größen wie
 beispielsweise Great Eastern Cutlery aus den USA messen können.

Vor einigen Tagen hatte ich das Glück mit Maxi und ein paar Freunden das Werksgelände von Robert Klaas
 besuchen zu dürfen und mir dort auch ein Messer nach meinen Wunschvorstellungen zusammen zu stellen. Zugegeben: ich war ziemlich skeptisch zu Beginn dieses Besuchs. Rückblickend muss ich nun sagen, dass ich die Marke Robert Klaas bis dato einfach nicht verstanden habe.
Nicht die Messer waren das Problem sondern mein Blickwinkel.

Klaas bauen Messer, wie man sie vor einigen Jahrzehnten noch in nahezu jeder Hosentasche finden konnte. Damals ging es darum, ein solides Werkzeug zu haben, welches einen zuverlässig durch den Alltag begleitete. Die Solinger Hersteller mussten also einen hohen Bedarf abdecken und eine für die damalige Zeit hohe Stückzahl an Messern bauen. Da blieb einfach schlichtweg keine Zeit für eine aufwendige Endkontrolle zur Behebung kosmetischer Mängel und das war auch gar nicht nötig. Die Messer funktionierten ja – damals wie heute. Kleine Spaltmaße, ein leicht asymmetrischer Anschliff oder ein nicht ganz mittiger Klingenstand hat einfach niemanden interessiert, solange die Funktion des Messers nicht beeinträchtigt wurde. Hier ging es einfach darum, ein gutes Werkzeug zu bauen und kein Instagram-Accessior.

Dieser Ansatz in der Fertigung hat sich bis heute kein bisschen verändert. Überhaupt hat sich bei Robert Klaas nicht viel verändert und als ich so durch die Fertigungsräume ging, hatte ich das Gefühl, mich irgendwo in den frühen 60er Jahren zu befinden. Von den ausgetretenen Treppenstufen, über die seit Jahrzehnten zuverlässig arbeitenden Maschinen bis hin zur großen Stechuhr,r fühlt man sich wie in einem kleinen Mikrokosmos, in dem eine eigene Zeitrechnung gilt. Hier wird eben immer noch ehrliches, solides Handwerk betrieben. Optisch nicht immer perfekt aber trotzdem absolut funktional. Nicht immer eine Schönheit aber stets treu zu Diensten. Wie ich dem Ausmacher so bei der Arbeit zu sah, wurde mir klar, dass die Messer von Robert Klaas nicht das
 Problem sind. Vielmehr hat sich mein Empfinden für Qualität und Verarbeitung über die vielen Jahre verändert, so dass ich glaube, dass mir manchmal der Blick für das Wesen eines Messers abhanden kommt.

Sicher: ein absolut perfekt gearbeitetes Werkzeug ist immer beeindruckend und bewundernswert. Muss das deswegen der allgemein gültige Maßstab sein? Müssen sich Traditionsunternehmen, die
 bewusst auf altgedientes Handwerk setzen, sich diesem Maßstab
 anpassen? Ich denke nicht.

Manchmal muss man sich ins Gedächtnis
 rufen, dass es nicht immer um Perfektion, sondern auch um
 Funktionalität geht. Ich bin absolut froh, diese Erfahrung machen zu
 dürfen und meinen Blick auf die Messer von Robert Klaas und den
 anderen Solinger Herstellern überdenken zu können.

 
 

 
 